Was noch vor einigen Monaten eine Randerscheinung war, hat sich in vielen Berufen weitgehenden etabliert: das Homeoffice. Als eine der Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie gelten in vielen Betrieben strenge Homeoffice Regelungen für Büro-Arbeitskräfte, wie es vom BAG empfohlen wird. Eine Homeoffice-Pflicht wird derzeit vom Bundesrat geklärt (Stand 07.01.2021).
Eine Rechtsanwältin beantwortet die wichtigsten Fragen
Viele mussten sich im vergangenen Frühling schlagartig umorganisieren: Computer oder Laptop nach Hause nehmen und sich einen Arbeitsplatz zuhause einrichten. Dass das nicht für alle gleich erfreulich oder praktisch umsetzbar war, versteht sich von alleine. Anfängliche Euphorie über die gewonnene Pendelzeit und eine ausgeglichenere Work-Life-Balance ist auch für solche am Abflachen, die in ihren eigenen vier Wänden relativ ungestört und komfortabel arbeiten können.
Fest steht: Homeoffice ist für die einen ein Segen, für die anderen eine grosse Herausforderung, ja gar Zumutung. Doch in Anbetracht der Corona-Fallzahlen und der ansteckenderen Mutationen ist eine Verschärfung der Homeoffice-Empfehlung nicht auszuschliessen.
Da viele Arbeitnehmende- und -gebende sich mit dem Homeoffice-Thema intensiv beschäftigen, haben wir die Advokatin Dr. iur. Melanie Huber von Kellerhals Carrard zu Rate gezogen. Die Kanzlei mit mehr als 300 Mitarbeitenden schweizweit, davon knapp 60 am Standort in Basel, verfügt über ein strenges Schutzkonzept und ermöglicht ihren Mitarbeitenden grundsätzlich auch Homeoffice. Dr. iur. Melanie Huber ist als Fachanwältin SAV Arbeitsrecht Spezialistin für alle arbeitsrechtlichen Fragen. Ihre Antworten zu den wichtigsten Fragen verschaffen Klarheit zur rechtlichen Situation rund um Homeoffice.
Wann habe ich das Recht im Homeoffice zu arbeiten?
Dr. iur. Melanie Huber: «In der Regel existiert keine Pflicht des Arbeitgebers, Homeoffice zu ermöglichen und somit auch kein Recht des Arbeitnehmers auf Homeoffice. Dies gilt derzeit auch in der aktuellen Pandemiesituation. Artikel 10 Abs. 3 der Covid-19-Verordnung besondere Lage hält lediglich fest, dass Arbeitgeber die Empfehlungen des BAG zu beachten haben. Diese sehen vor, dass Arbeitnehmer nach Möglichkeit von zu Hause aus arbeiten. Es besteht hierzu aber keine Pflicht.
Aufgrund der Fürsorgepflicht (Art. 328 OR) ist der Arbeitgeber jedoch verpflichtet, alle notwendigen und zumutbaren Massnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer zu ergreifen. Dazu gehört in der aktuellen Pandemiesituation auch das Homeoffice. Zu berücksichtigen sind stets die Umstände des Einzelfalls. Homeoffice ist insbesondere dann angezeigt, wenn im Betrieb die erforderlichen Schutzmassnahmen gegen das Coronavirus nicht umgesetzt werden können.»
Was ist, wenn mein Arbeitgeber mich anweist, im Homeoffice zu arbeiten?
Dr. iur. Melanie Huber: «Ohne besondere Vereinbarung kann der Arbeitgeber einen vereinbarten Arbeitsort grundsätzlich nicht einseitig ändern und auch nicht einseitig Homeoffice anordnen. In der aktuellen Pandemiesituation dürften Arbeitnehmer aber aufgrund ihrer Treuepflicht in der Regel verpflichtet sein, eine vorübergehende Anweisung zum Homeoffice zu befolgen, soweit ihnen das zumutbar ist.»
Brauche ich eine schriftliche Vereinbarung über Homeoffice?
Dr. iur. Melanie Huber: «Wie erwähnt, darf der Arbeitgeber Homeoffice im Normalfall nicht einseitig anordnen. Es braucht somit eine mündliche oder schriftliche Vereinbarung über das Homeoffice. In der aktuellen Ausnahmesituation scheint es jedoch zulässig, wenn der Arbeitgeber vorübergehendes Homeoffice einseitig anweist.
Die Aufsetzung einer schriftlichen Vereinbarung ist jedoch in jedem Fall zu empfehlen. Dies, um die gegenseitigen Rechte und Pflichten und insbesondere auch die Kostentragung (Arbeitsgeräte, Material, Auslagen) zu regeln.»
Wer trägt die Kosten für das Homeoffice (monatliche Pauschale für Miete, Internet, Telefon, Druckerpatrone etc.)
Dr. iur. Melanie Huber: «Bezüglich Kostentragung ist zwischen Arbeitsgeräten und Material einerseits sowie Auslagen andererseits zu differenzieren. Die für die Arbeit im Homeoffice benötigten Geräte und Materialien (Computer, Drucker, Papier, Pult etc.) sind vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen; stellt der Arbeitnehmer diese im Einverständnis mit dem Arbeitgeber selbst zur Verfügung, so ist er dafür angemessen zu entschädigen (Art. 327 OR). Da die gesetzliche Regelung betreffend Kosten für Arbeitsgeräte und Materialien nicht zwingend ist, kann auch vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer diese vollumfänglich selbst trägt.
Im Gegensatz zu Arbeitsgeräten und Material sind durch die Ausführung der Arbeit notwendig entstehende Auslagen (Kosten für Internet, Telefon, Strom, Heizung, Mietauslagen etc.) zwingend durch den Arbeitgeber zu ersetzen. Eine abweichende Regelung zu Ungunsten des Arbeitnehmers ist nicht möglich.
Sofern die Arbeit im Homeoffice auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt und ihm im Betrieb jederzeit ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist meines Erachtens davon auszugehen, dass er Arbeitsgeräte und Material entschädigungslos selbst stellen muss und der Anspruch auf Auslagenersatz wegbedungen werden kann.
In der aktuellen Pandemiesituation dürfte Homeoffice in den meisten Fällen vom Arbeitgeber temporär angeordnet werden, obwohl im Betrieb ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehen würde. Meines Erachtens darf in der aktuellen Ausnahmesituation vom Arbeitnehmer aufgrund seiner Treuepflicht erwartet werden, dass er bereits vorhandene private Geräte und Infrastruktur vorübergehend entschädigungslos für die Arbeit im Homeoffice zur Verfügung stellt. Ebenso ist meines Erachtens eine anteilmässige Übernahme der Mietkosten bei vorübergehendem Homeoffice im Zusammenhang mit dem Coronavirus nicht angezeigt. Höchstrichterlich geklärt sind diese Fragen im Zusammenhang mit dem Coronavirus selbstverständlich noch nicht und es besteht das Risiko, dass ein Gericht sich dennoch für eine Entschädigungspflicht des Arbeitgebers ausspricht. Verfügt ein Arbeitnehmer nicht über die notwendige Infrastruktur, so ist ihm diese vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Ebenso sind dem Arbeitnehmer Zusatzauslagen (zusätzliche Stromkosten oder Telefongebühren) zu ersetzen.»
Was gilt betreffend Arbeitsschutz im Homeoffice?
Dr. iur. Melanie Huber: «Der Arbeitgeber ist auch bei Arbeit im Homeoffice verpflichtet, die Vorschriften des Arbeitsgesetzes, insbesondere betreffend Gesundheitsschutz, Arbeits- und Ruhezeiten einzuhalten. Demzufolge sind etwa auch im Homeoffice die Arbeitszeiten zu erfassen, die täglichen Ruhezeiten zu gewährleisten sowie das Nacht- und Sonntagsarbeitsverbot einzuhalten.»
Wir bedanken uns herzlich bei Frau Huber für ihr Mitwirken an diesem Beitrag. Dieses Interview wurde schriftlich geführt.
Weiterführende Informationen
Bei Interesse empfehlen wir Ihnen auch das Webinar vom 16. November 2020 zum Thema Homeoffice von Dr. Urs Marti. Er ist Fachanwalt SAV Arbeitsrecht und Co-Leiter der Fachgruppe Arbeitsrecht von Kellerhals Carrard und anerkannter Spezialist für alle arbeits- und personalrechtlichen Fragen.
Für Fragen im Zusammenhang mit COVID-19 konsultieren Sie bitte die Informationsseite «Corona Desk» von Kellerhals Carrard.
Redaktorin: Neslihan Steiner
Batterman Consulting Basel AG
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